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Betriebsbedingte Kündigung und die Coronakrise

Viele Unternehmen haben in der Coronakrise zunächst Kurzarbeit angeordnet, um dem Wegfall an Beschäftigungsmöglichkeit entgegen zu treten.

Jetzt ist für zahlreiche Unternehmer nicht absehbar, wie es weiter geht. Nach langer Zeit werden wieder ein Vielzahl betriebsbedingter Kündigungen ausgesprochen.

Doch ist das rechtlich einfach möglich?

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Die Corona-Krise allein ist kein Kündigungsgrund und stellt für sich keine wirksame Voraussetzung für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung dar.

Es bleibt dabei, dass eine betriebsbedingte Kündigung nur unter bestimmten Umständen nach § 1 Abs. 1 KSchG möglich ist.

Kurzarbeit versus betriebsbedingte Kündigung

Kurzarbeit dient dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, einen lediglich vorübergehenden Arbeitsausfall aufzufangen, in dem Kurzarbeit angeordnet wird. Bei der Einführung von Kurzarbeit geht der Arbeitgeber davon aus, seinen Arbeitnehmer in absehbarer Zeit wieder voll beschäftigen zu können. Die Kurzarbeit soll den vorrübergehenden Zustand des Arbeitsmangels überbrücken und damit betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.

Ist der Ausfall nicht vorübergehender Natur, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Arbeit dauerhaft entfällt, liegen die Voraussetzungen für Kurzarbeit nicht vor. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen.

Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung

Ob eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann, bedarf einer umfänglichen Überprüfung.

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Arbeitnehmer werden durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt. In dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind (§ 1 Abs. 1 KSchG) und deren Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG).

Eine Sonderregelung gilt für sogenannte „Altfälle“: Wenn der Betrieb zwar nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, jedoch mehr als fünf Arbeitnehmer die bereits vor dem 31.12.2003 Kündigungsschutz erworben hatten und nach wie vor in diesem Betrieb mehr als fünf sogenannte »Altbeschäftigte« tätig sind, gilt auch für diese das Kündigungsschutzgesetz.

Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

Betriebe, die nicht mehr als zehn bzw. fünf Arbeitnehmer beschäftigen, sind sogenannte Kleinbetriebe. Auf sie findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Die Kündigung ihrer Mitarbeiter ist ohne Grund jederzeit unter Einhaltung der Kündigungsfrist möglich.

Soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung

Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur kündigen, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist.

Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG).

Voraussetzung für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ist damit:

1. das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses
2. dadurch bedingter Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit
3. Durchführung einer sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG)

Dringendes betriebliches Erfordernis

Ein dringendes betriebliches Erfordernis kann außerbetriebliche Ursachen haben. Hierzu zählen insbesondere Auftragsmangel oder Umsatzrückgang. Beruft sich der Arbeitgeber auf einen außerbetrieblichen Grund, ist dieser von ihm genau darzulegen und nachzuweisen.

Beispiel:
Der Unternehmer kündigte das Arbeitsverhältnis mit seinem Mitarbeiter aus dringenden betriebsbedingten Gründen und begründet dies mit einem Umsatzrückgang aufgrund der Corona-Krise. Im Kündigungsschutzprozess ist darzulegen, wie hoch der Umsatzrückgang tatsächlich ist und wie sich der Umsatzrückgang konkret auf die Beschäftigungsmöglichkeit seines Mitarbeiters ausgewirkt hat. Hierzu muss er seine Zahlen offenlegen.

Ein dringendes betriebliches Erfordernis können auch innerbetriebliche Gründe sein. Hierzu zählen insbesondere Umstrukturierungsmaßnahmen und Organisationsveränderungen. Ein typischer innerbetrieblicher Grund ist die unternehmerische Entscheidung, einen Teil der Tätigkeiten fremd zu vergeben und nicht mehr selbst zu erledigen (Outsourcing). Der Arbeitgeber hat nachzuweisen, dass diese unternehmerische Entscheidung bereits »greifbare Formen« angenommen hat. Außerdem ist die unternehmerische Entscheidung durch die Gerichte nur dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ist die unternehmerische Entscheidung beschlossen und tatsächlich durchgeführt worden, spricht eine Vermutung dafür, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht.

Beispiel:
Der Unternehmer stellt fest, dass aufgrund der Corona-Krise das Umsatzvolumen erheblich zurückgegangen ist. Dies hat auch Auswirkungen auf seine Mitarbeiterin in der Lohnbuchhaltung. Er beschließt, ab sofort die Lohnbuchhaltung nicht mehr selbst zu erledigen, sondern diese seinem Steuerberater zu übertragen.

Damit hat der Unternehmer die unternehmerische Entscheidung getroffen, zukünftig nicht mehr selbst die Buchhaltung zu machen. Dies ist als innerbetrieblicher Grund anerkannt. Die Beschäftigungsmöglichkeit fällt mit Übertragung der Arbeiten auf den Steuerberater weg. Hier muss der Unternehmer lediglich nachweisen, dass er diese Entscheidung getroffen und die Kündigung bereits »greifbare Formen« angenommen hat. Dies kann beispielsweise durch eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und seinem Steuerberater über die zukünftige Übernahme der Buchhaltungstätigkeiten passieren.

Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit

Zweite Voraussetzung ist, dass durch das dringende betriebliche Erfordernis der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht möglich ist.

Sind hingegen freie Arbeitsplätze vorhanden, auf die der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden könnte, fehlt es an dieser Voraussetzung.

Vielfach ist es in der Praxis so, dass die Unternehmer zwar eine unternehmerische Entscheidung über Umstrukturierungsmaßnahmen treffen, in der Praxis jedoch dadurch tatsächlich die Beschäftigungsmöglichkeit nicht oder nicht ganz wegfällt.

Insbesondere dann, wenn Teile der Beschäftigung weiter bestehen bleiben und auf andere Mitarbeiter übertragen werden, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass diese Mitarbeiter Kapazitäten frei haben und ohne Mehrbelastung die Tätigkeiten übernehmen können.

Der gekündigte Arbeitnehmer wird sich darauf berufen, dass diese Mitarbeiter ihr Arbeitsvolumen bereits zu seiner Beschäftigungszeit voll ausgeschöpft oder sogar Überstunden gemacht haben und über keine Arbeitszeitkapazitäten verfügen. Im Zweifel muss sodann im Wege der Vernehmung von Zeugen im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens geklärt werden, ob die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Arbeitszeit überhaupt in der Lage sind, die weiteren Tätigkeiten zu übernehmen. In jedem Fall ist der Vorgang für den Arbeitgeber risikobelastet.

Oftmals laufen unternehmerische Entscheidung jedoch darauf hinaus, dass lediglich eine Hierarchieebene abgebaut wird oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes erfolgt, verbunden mit einer Umverteilung auf andere Arbeitnehmer. In diesem Fall sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers zu stellen. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahme die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Außerdem dürfen andere Arbeitnehmer durch Umverteilung nicht belastet werden.